Seoul Pride Parade 2019
Ein Tag um sich selbst zu akzeptieren und zu feiern. Ganz nach dem Motto: Liebe statt Hass!
Ein Tag um sich selbst zu akzeptieren und zu feiern. Ganz nach dem Motto: Liebe statt Hass!
In meinem Auslandsjahr in Korea konnte ich es mir nicht entgehen lassen, die Seoul Pride Parade zu besuchen. Hierbei handelt es sich um eine Parade von LGBTQ+ Minderheiten, die jedes Jahr am 1. Juni auf dem Seoul Plaza beginnt und durch die umliegenden Straßen zieht. Die erste Pride Parade in Seoul fand im Jahre 2000 statt und es waren knapp 50 Teilnehmer anwesend (im Vergleich, die erste Pride ‚Parade‘ war ein Aufstand im Jahr 1969 in den USA, und 1972 war die erste Parade in Deutschland). Die Pride Parade in Seoul 2019 hatte etwa 70,000 Besucher, was viel weniger ist als in den meisten westlichen Staaten, aber sehr beeindruckend für Korea. Es war ein sehr eindrucksvolles Erlebnis; nicht nur wegen der Freude und Ausgelassenheit der Menschen, sondern (leider) auch weil es meine erste Erfahrung mit Gegendemonstranten war.
Was ich vorher schon in Artikeln gelesen hatte, erlebte ich nun aus nächster Nähe: es ist so viel schwerer, Koreaner UND Minderheit zu sein. Denn die heteronormativen Standards sind in der koreanischen Gesellschaft sehr stark ausgeprägt und als Koreaner gibt es keinen Weg sich ihnen zu entziehen (wie ich als Ausländer es in Korea kann). Alle Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts, Sexualität, ihres Aussehens, einer Behinderung, oder anderen Attributen von der vermeintlichen „Norm“ abweichen, sind eine Minderheit; und es wird ein unglaublich starker Druck auf sie ausgeübt, sich zu assimilieren. Zwar ist körperliche Gewalt gegen Minderheiten in Korea nicht so alltäglich wie in anderen Ländern, dagegen wird meist sehr starker psychologischer Druck ausgeübt, oft wird auch einfach so getan, als gäbe es die Person gar nicht. Ich war mir der starken Polarisierung der Meinungen über diese Minderheiten bewusst, doch es war etwas komplett anderes, die Homophobie in Person zu erleben.
Für die Parade wurden unzählige Mengen an Polizisten bereitgestellt, aus gutem Grund: in den Vorjahren hatte es schon schlimme Angriffe auf die Parade-Besucher gegeben. Die Verursacher dieser Angriffe waren auch schwer zu übersehen; die große Wiese neben dem Rathaus, auf der die Parade beginnen sollte, war umgeben von provisorisch aufgebauten Zäunen, hinter denen eine erschreckend große Menge an Gegendemonstranten ein Spektakel aufführte. Die Demographie beschränkte sich im Großen und Ganzen auf ältere, religiöse, verbitterte Leute, die in Mikrophone schrien, an den Zäunen zerrten und auf Trommeln schlugen, und Schilder hochhielten mit Worten wie „Eine Ehe besteht zwischen einem Mann und einer Frau! Alles andere ist Sünde!“ Diese Worte wurden allen Parade-Besuchern und Passanten zugeschrien. Diese Menschen machten mir Angst, denn ich sah zum ersten Mal so viel unbegründeten Hass und Wut, die ich nicht verstand. Es machte mich sehr traurig und entrüstet, und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.
Doch die Drag Queens und andere langjährigen Pride Parade Besucher, die schon an diese Behandlung gewöhnt waren, wussten es besser. Während wir durch die Straßen zogen und die Gegendemonstranten uns Sachen wie „Du ekelst mich an! Du wirst in die Hölle kommen! Ich hasse dich!“ zuriefen, antworteten sie mit einem großen Lachen, schauten den Personen direkt in die Augen und riefen „Ich liebe dich!“.
Später hörte ich zwei dieser Besucher darüber reden, dass es auch für sie immer wieder eine Überwindung war mit den Gegendemonstranten umzugehen, aber „die beste Antwort auf Hass ist Liebe“. Denn, so sagten sie, jemand, der so viel Hass in sich trägt, dass er sich Zeit nehme, die paar Stunden im Jahr, an der eine Minderheit sie selbst sein kann, kaputtmachen zu müssen, dieser Person fehlt es ganz klar an Liebe. Ich bewunderte ihre Einstellung. Keiner der Demonstranten schien sich die Stimmung von den Gegendemonstranten vermiesen zu lassen; im Gegenteil, sie schienen sich dadurch noch angefeuert zu fühlen, und jubelten so laut, dass die Rufe der Gegner übertönt wurden. Gemeinsam sangen wir Lieder und ich bewunderte all die schönen Kostüme und Dekorationen, die Ausgelassenheit der Menschen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich die Zeit zu nehmen, im Sommer die Pride Parade zu besuchen und diese unglaubliche Erfahrung zu machen.
ᅳ Zoe G.